Deutschland – der kranke Mann Europas

Deutschland ist in der Rezession und bleibt es voraussichtlich auch noch im nächsten Jahr. Der IWF erwartet, dass Deutschland als einzige unter den fortgeschrittenen Volkswirtschaften im laufenden Jahr schrumpfen wird.

Und blickt man in die Wirtschaft, so versteht man wieso. Massiver Stellenabbau bei Bayer, Motorpresse und Homag, Unternehmensinsolvenzen auf einem 7-Jahres-Hoch. Insolvenz bei einem großen Vertragspartner von Mercedes, dem Automobilzulieferer BIA in Solingen, Signa und Nolte Möbel. Es sieht nicht gut aus im besten Deutschland aller Zeiten. Die Energiewende und die grüne Transformation kostet doch mehr als gedacht und durch den hohen Strompreis sind wir weniger wettbewerbsfähig – aber dafür kommt jetzt der subventionierte Industriestrom.

Ist Deutschland erneut der kranke Mann Europas, so wie es der Economist vorgesagt hat, oder bleibt uns dieser Titel diesmal erspart? Wohin steuert Deutschland? Brauchen wir eine Agenda 2030 und wie könnte diese aussehen?

Der kranke Mann Europas?

Fast 25 Jahre ist es her, da sorgte das Wirtschaftsmagazin „The Economist“ mit einer Titelgeschichte über Deutschland Furore. Deutschland sei der “kranke Mann des Euros”. Als Gründe nannte der Economist damals einen starren, festgefahrenen Arbeitsmarkt, extrem ausufernde Sozialleistungen und natürlich die Kosten der Wiedervereinigung. Der Artikel sorgte für Aufsehen. Offenbar bis in die höchsten Ränge der Politik. Denn die damalige Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder steuerte dagegen und brachte tiefgreifende Reformen auf den Weg. Besser bekannt als Agenda 2010.

Doch schauen wir nochmal zurück auf das damalige Deutschland. Im Jahr 2003 waren rund 4 Millionen Menschen arbeitslos, was einer Arbeitslosenquote von 10,5 Prozent entsprach. Das BIP, also die Wirtschaftsleistung, stagnierte und die stark alternde Gesellschaft drohte, das Rentensystem zu überlasten. Damals war wohlgemerkt eine rot-grüne Regierung an der Macht. Also durchaus Parallelen zu heute. Die Agenda 2010 kam und die Reformpläne fruchteten. Was hat man damals konkret umgesetzt? Im folgenden die wichtigsten Punkte:

  • Man hat die Regulierung von Zeitarbeit wesentlich gelockert, was hunderttausende Jobs geschaffen hat.
  • Man hat Minijob-Reformen umgesetzt, die es vor allem Arbeitslosen erleichterten, den Einstieg in den Arbeitsmarkt zu finden.
  • Als drittes hat man das Arbeitslosengeld für Ältere von maximal 32 Bezugszeit auf 18 Monate gekürzt.
  • Der ausschlaggebendste Punkt war allerdings die Vereinigung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Hartz IV, was wesentliche Ineffizienzen und eine Menge Bürokratie beseitigte.

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Was folgte, war ein beispielloser wirtschaftlicher Aufstieg Deutschlands. Die Arbeitslosenquote ging zwischen 2003 und 2013 von 10,5 auf 6,9 Prozent zurück. 2022 lag sie sogar nur noch bei 5,3 Prozent. In anderen Worten: Gab es 2003 also noch 4,4 Millionen Arbeitslose, so waren es 2022 nur noch 2,4 Millionen. Besonders beeindruckend ist der Rückgang der Langzeitarbeitslosen. Hiervon gab es in Deutschland im Jahr 2000 noch rund 1,5 Millionen. 2012 waren es nur noch ca. 1 Millionen. Also ein Rückgang um rund 30 Prozent.

Und auch der direkte Vergleich zu Frankreich kann sich durchaus sehen lassen. Innerhalb eines Jahrzehnts ist es Deutschland gelungen, die Wirtschaftsleistung zu steigern, den Nachbarn Frankreich zu überholen und gleichzeitig die Arbeitslosenquote stark zu senken (siehe Abbildung).

Die Agenda 2010 war umstritten, denn sie war anfangs für viele sehr schmerzhaft. Die SPD hat selbst heute noch damit zu kämpfen und hat seitdem wirklich viel versucht, um alles, was damals umgesetzt wurde, wieder rückgängig zu machen. Ganz nüchtern betrachtet, war die Agenda 2010 allerdings ein beachtlicher Erfolg.

Dennoch muss man festhalten, dass nicht alles auf die Reformagenda zurückzuführen ist. Viele Kritiker weisen immer wieder gerne darauf hin, dass es auch andere Ursachen hat, dass Deutschland sich nach der Agenda 2010 prächtig entwickelt hat. So wird immer wieder auf die allgemeine Lohnzurückhaltung hingewiesen, die bereits in den 1990ern begonnen hatte und der schwache Euro, der besonders unserer Exportwirtschaft zugute kam. Darüber hinaus haben wir seit der Jahrtausendwende einen beispiellosen Aufstieg Chinas gesehen, der einerseits Deutschlands Exportwirtschaft befeuerte und uns andererseits mit günstigen Produkten versorgte.

Selbst die Eurokrise konnte den Aufschwung der deutschen Wirtschaft nicht dauerhaft stoppen. Dazu beigetragen hat aber vor allem ein günstiges makroökonomisches Umfeld. Die Nachfrage nach deutschen Exportgütern in den USA sowie in Schwellenländern wie China wuchs deutlich, die Zinsen fielen stetig, und der niedrige Kurs des Euros trug zum Boom der deutschen Ausfuhren bei.

Natürlich gab es noch eine weitere wichtige Komponente, die nicht fehlen darf und das ist billige Energie. Wir alle wissen, dass Schröder eine gute Beziehung zu Russland, insbesondere zu Putin hatte. Dadurch wurden wir zumindest über das kommende Jahrzehnt mit günstiger Energie für die Industrie versorgt.

Alles in allem waren es dennoch grundlegend positive Reformen. Leider haben die folgenden Regierungen verschlafen, daran anzuknüpfen.

Die Ära Merkel: eine verpasste Zeit

16 Jahre war Angela Merkel die Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschlands. 16 Jahre lang hat sie Deutschland mitgestaltet und geprägt. Doch ihre Zeit hat leider tiefe Narben und viele Baustellen hinterlassen.

Unter der Ära Merkel wurden vor allem die Rentenleistungen stark ausgebaut. Dazu gehören die Rente ab 63, die Mütterrente, die sogenannte Haltelinie sowie zuletzt die Grundrente. Und während man immer mehr für die Rentner getan hat, hat man es vollkommen verschlafen, in die Generation von morgen zu investieren, also in Bildung und vor allem Infrastruktur. Ein Blick in heutige Schulen oder auf marode Brücken unterstreicht, dass hier einiges vernachlässigt wurde.

Auch in Sachen Eurokrise hat sich die Ex-Kanzlerin definitiv nicht mit Ruhm bekleckert. Seit 2010 musste der Mittelmeerstaat mehrfach durch die Euro-Partner und den Internationalen Währungsfonds (IWF) vor dem Staatsbankrott gerettet werden. Grundlegende Regeln der Währungsunion, vor allem die No-Bail-out-Klausel oder der Vertrag von Maastricht, wurden damals einfach so über Bord geworfen. Angela Merkels Begründung für diese Schritte lautete: Scheitert der Euro, dann scheitert Europa.

Das ist natürlich völliger Humbug. Der Euro ist nicht die EU. Mit Milliarden hat man mit Ach und Krach die Eurozone und damit das Projekt Euro am Leben gehalten. Das hatte natürlich Kosten, die vor allem Deutschland schultern musste. Dann kam die Flüchtlingskrise, die ebenfalls miserabel gemanagt wurde. Die Auswirkungen der damaligen Politik sind noch heute spürbar.

Deutschland erneut der “kranke Mann Europas”?

Aber blicken wir auf den Status Quo. Wie steht es um Deutschland? Liegen wir bereits auf der Intensivstation oder kommen wir mit einer leichten Erkältung davon?

Die aktuellen Wirtschaftsindikatoren zeigen zumindest nichts Gutes an. Die Produktion ist im September zum vierten Mal in Folge gesunken. Laut Statistischem Bundesamt sank die Produktion im Vergleich zum Vormonat um 1,4 Prozent. Erwartet wurde lediglich ein Rückgang von 0,1 Prozent (siehe nächste Abbildung). Damit liegen wir immer noch unter dem Niveau, welches wir vor der Corona-Krise hatten.

Das Statistische Bundesamt schreibt, dass ein Großteil des Rückgangs dabei auf die schwächelnde Automobilindustrie zurückzuführen sei. Ja und tatsächlich bekommen wir immer mehr Signale aus der Automobilindustrie, dass dieser harte Zeiten bevorstehen.

Volkswagen zum Beispiel brechen gerade die Absätze in China weg. Gleichzeitig steigen die Insolvenzen weiter an. Das zeigen die neuesten Daten des IWH. So gab es im Oktober 1037 Insolvenzen bei Personen- und Kapitalgesellschaften. Das sind 2 Prozent mehr als im September und 44 Prozent mehr als im Oktober 2022. Die Zahl der Insolvenzen lag somit 12 Prozent über dem Oktober-Durchschnitt der Jahre 2016 bis 2019, also vor der Corona-Pandemie. Und eine Besserung soll nicht in Sicht sein. So rechnet das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung für die kommenden Monaten mit weiter steigenden Insolvenzen.

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Die nach wie vor hohen Energiepreise machen vor allem der chemischen Industrie zu schaffen (siehe nächster Chart).

Bestes Beispiel Lanxess. Erst vor wenigen Tagen meldete der Chemiekonzern tiefrote Zahlen. Eine Besserung sei laut Vorstandschef Zachert nicht in Sicht. Und auch beim deutschen Chemiegiganten BASF sieht es gar nicht gut aus. Der Aktienkurs war vor kurzem sogar unter das Coronatief von 2020 gefallen. Bereits im Sommer ist der Gewinn bei der BASF um 76 Prozent eingebrochen.

Und jetzt gerade erst vor kurzem hat der CEO der BASF, Martin Brudermüller, gewarnt, dass die ehrgeizigen Klimaziele der EU scheitern werden. In Berlin sagte der CEO: „Europa versucht es mit der Brechstange, aber das wird nicht funktionieren“. Und weiter: „Wir treiben den Umbau unvermindert voran, trotz Konjunkturkrise.“

Der BASF-Chef verweist hier vor allem auf die horrenden bürokratischen Vorgaben, die im Zuge des Green Deal auf die Unternehmen zukommen. Allein auf die Chemieindustrie würden 14.000 Seiten an Vorgaben und Richtlinien aus Brüssel kommen. Dabei haben Großkonzerne wie die BASF deutlich mehr Kapazitäten, um Bürokratie zu bewältigen als der Mittelstand. Für kleine und mittlere Unternehmen ist das kaum noch zu stemmen, denn der Aufwand ist proportional zur Unternehmensgröße erheblich größer.

Und auch beim dritten großen deutschen Chemieunternehmen Bayer brennt gerade die Hütte. Nach einem Verlust von 4,6 Milliarden Euro kündigt der CEO einen massiven Umbau an. Auch die Belegschaft werde sich „erheblich reduzieren“, heißt es.

Drei Chemiekonzerne aus Deutschland. Und alle haben massiven Gegenwind. Die Deindustrialisierung ist bereits in vollem Gange. In vergangenen Beiträgen warne ich bereits davor schon länger.

Und die Probleme könnten sich noch weiter verschärfen, denn auch der Euro ist nach wie vor unter Druck. Im Sommer 2021 kostete ein Euro noch 1,20 Dollar. Anfang September 2022 war die europäische Währung nur 0,99 Dollar wert. Das ist der niedrigste Wechselkurs seit 20 Jahren. Für den schwachen Euro gibt es verschiedene Gründe:

  1. Die Sanktionen gegen Russland haben uns viel stärker getroffen als zum Beispiel die Amerikaner. Folglich hat unsere Wirtschaft einen stärkeren Schaden genommen.
  2. Europa leidet viel stärker unter hohen Preisen für fossile Energien als die USA. Wir sind nicht so autark.
  3. Die FED hat ihren Leitzins viel stärker anheben können als die EZB. Das führt dazu, dass viel Kapital den Euroraum verlässt und in den Dollar fließt, da es hier höhere Zinsen gibt. Ergo, der Euro wird schwächer.

Und so ist es nicht verwunderlich, dass der Euro immer mehr an Bedeutung verliert. Im folgenden Chart von Bloomberg erkennt man, wie stark der Dollar und der Euro im internationalen Handel genutzt werden.

Eigentlich sollte ein schwacher Euro ja gut für die Exportwirtschaft sein. Doch wir können aktuell eher das Gegenteil beobachten.

5. Habecks Industriestrategie

So langsam scheint die Dringlichkeit der Lage auch im Bundeswirtschaftsministerium angekommen zu sein. Robert Habeck hat dazu erst vor kurzem seine Industriestrategie vorgestellt. Auf 60 Seiten legt Habeck dar, wie er die Wende schaffen will. Ein Wort fällt während seiner Rede besonders oft und das ist das Wort “Transformation”. Damit meint er die Transformation hin zu einer sauberen klimaneutralen Wirtschaft. Das ganze kostet jedoch – wie wir alle wissen – eine Menge Geld für Investitionen.

Wenn man sich die kompletten 60 Seiten durchliest, so lässt sich eines ganz klar erkennen: Der Staat möchte immer mehr in die Wirtschaft eingreifen. In Deutschland hat es mal so etwas wie Ordnungspolitik gegeben. Ziel dieser Ordnungspolitik war es, wirtschaftliches Wachstum zu erreichen, in dem der Staat nur die Rahmenbedingungen vorgibt und sich ansonsten aus der Wirtschaft raushält. Eine Nachtwächterrolle also.

Und es waren genau diese Ansätze, die das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft so attraktiv gemacht haben. Es war eine Art Kompromiss. Auf der einen Seite hat man privaten Unternehmern Raum gegeben, unternehmerisch aktiv zu werden. Auf der anderen Seite hat man aber auch durch das Setzen bestimmter Standards darauf geachtet, dass die Arbeitnehmerseite nicht vollkommen vernachlässigt wird.

Wenn man jetzt aber die Industriestrategie von Habeck liest, so erkennt man schnell, dass der Staat hier weit darüber hinausgeht, einfach nur die Rahmenbedingungen zu setzen. Im Papier heißt es, dass man auf verschiedene Instrumente “von der themen- und branchenoffenen Innovationsförderung bis zur gezielten Unterstützung einzelner Schlüsseltechnologien” setzt.

Der Staat will also aktiv in die Wirtschaft eingreifen. Hier mal ein paar Beispiele, wo man aktiv eingreifen bzw. mitmischen möchte. So will man:

  1. Die Energiewende vorantreiben
  2. Eine eigene Wasserstoffindustrie aufbauen
  3. Die E-Mobilität fördern
  4. Die pharmazeutische Industrie unterstützen
  5. Quantentechnologie und Künstliche Intelligenz fördern und staatlich vorantreiben
  6. Die Industrie in Sachen Robotik, Raumfahrt und Leichtbau vorantreiben

Die Liste könnte man noch ewig weiterführen. Es macht ganz deutlich, dass der jetzige Staat weit mehr ist, als der alt bekannte Nachtwächterstaat. Man will die Wirtschaft lenken bzw. steuern. In anderen Worten: Planwirtschaft. Aber zumindest scheint Habeck mittlerweile erkannt zu haben, dass es der Wirtschaft, insbesondere der Industrie in Deutschland, nicht gut geht. Hierzu sagt er und ich zitiere:

„Wir verlieren die Industrie und damit nicht nur Arbeitgeber und Branchen, sondern einen maßgeblichen Teil des Wohlstands.“

Und auch in seinem Papier sind teils deutliche Passagen zu finden. “Für zahlreiche Betriebe der energieintensiven Industrie sind diese Preise existenzbedrohend, es droht eine Erosion der deutschen Grundstoffindustrie und damit der Wegfall integrierter Wertschöpfungsketten”, so Habeck.

Zudem gesteht man sich in dem Papier ein, dass sich die Wettbewerbssituation besonders für die stromintensiven Branchen stark verschlechtert hat. Und trotzdem hat man die letzten AKWs vom Netz genommen. Laut einem Bericht der Bild-Zeitung hat die Bundesregierung dabei anscheinend von Anfang an gewusst, dass sich die Strompreise aufgrund der Abschaltung erhöhen würden. Das geht aus einem internen E-Mail-Wechsel zwischen den Pressestellen des Umwelt- und Wirtschaftsministeriums aus 2022 hervor. Hierin heißt es: “Der Weiterbetrieb der AKW hat neben der (geringen) Gaseinsparung zwei weitere Vorteile: die Strompreise sinken und der Netzbetrieb wird sicherer.”

Diese Einschätzung hatten übrigens damals mehrere Experten und Ökonomen vertreten. So zum Beispiel das Münchner Ifo Institut, die errechnet hatten, dass eine Nicht-Abschaltung der AKWs den Strompreis um vier Prozent senken würde. Ein Team um die Wirtschaftsweise Veronika Grimm kam in einer Studie sogar zu dem Ergebnis, dass der Strompreis bei Weiterbetrieb um bis zu 13 Prozent senken kann.

Robert Habeck hatte damals ja sogar noch behauptet, Deutschland hätte ein Gasproblem und kein Stromproblem.

Und auch sonst hat man uns doch immer wieder erzählt, dass der Weiterbetrieb der AKWs den Strompreis nicht senken würde. Man hat uns also angelogen und die Industrie muss jetzt dafür gerade stehen.

Stattdessen hat man sich jetzt auf ein Strompreispaket für die Industrie geeinigt. Geplant ist unter anderem eine deutliche Senkung der Stromsteuer für das produzierende Gewerbe und eine Ausweitung der bisherigen Strompreiskompensation für Konzerne.

Bei den Grünen wertet man das als großen Erfolg. Aber was ist das für ein Erfolg, wenn man ein Problem mit Steuergeldern löst, was man im Grunde genommen selbst verursacht hat.

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6. Agenda 2030 statt mehr Sozialismus!

Wir sehen also, dass Deutschland auf dem besten Weg ist, erneut den Titel “Kranker Mann Europas” zu gewinnen. Doch leider ist das kein Titel, über den man sich freuen sollte – nein, ganz im Gegenteil, es sollte eigentlich endlich ein Weckruf an die Politik sein. Leider beobachten wir aktuell das, was der Ökonom Ludwig von Mises mal die Interventionsspirale genannt hat. Der Staat greift in die Wirtschaft ein. Es kommt zu unerwünschten Nebeneffekten, denn der Staat ist bekanntlich kein guter Unternehmer.

Doch anstatt sich einfach aus der Wirtschaft herauszuhalten, glaubt der Staat, sich als Held aufführen zu müssen und immer mehr in die Wirtschaft einzugreifen. Jeder Eingriff hat also zur Folge, dass es zu weiteren Eingriffen kommt, bis irgendwann die wirtschaftliche Freiheit zerstört ist und der Staat alles managt. Sozialismus könnte man auch sagen.
Und auch an den Forderungen der SPD sieht man ganz deutlich, wohin der Kurs eigentlich gehen soll. Die SPD forderte zuletzt eine “temporäre” Krisenabgabe für Spitzenverdiener und die Jusos wollen gleichzeitig ein Grunderbe in Höhe von 60.000 Euro für alle über 18-Jährigen. Einzige Voraussetzung: ein Wohnsitz in Deutschland. In anderen Worten: Noch mehr Umverteilung!

Was wir stattdessen bräuchten, wäre eine Agenda 2030. Diese muss aber aufgrund der angestauten Probleme noch viel weitreichender sein als die schon thematisierte Agenda 2010. Im Wesentlichen muss sie sich auf drei Problemfelder fokussieren.

1. Billige Energie: Deutschland ist ein Industrieland. Wenn wir es verhindern wollen, dass Unternehmen ganz abwandern bzw. ihre Produktionen in Deutschland runterfahren, dann müssen wir angebotsseitig die Energiekosten runterbringen. Dazu habe ich bereits oft verschiedene Punkte aufgelistet, wie man das erreichen könnte.

– 180 Grad statt 360 Grad Wende bei der Energiepolitik inklusive Rückkehr zur Atomkraft
– Temporäre Reaktivierung der Kohleminen und Förderung von Öl und Gas (so wie es Großbritannien gerade beschlossen hat) um Autarkie zu stärken
– Geld in die Forschung von Speichertechnologien für erneuerbare Energien investieren

2. Der Staat soll kein Unternehmer sein: Wir haben es mit einem immer übergriffigen Staat zu tun. Das muss stoppen. Der Staat muss sich wieder auf seine Rolle als Nachtwächter zurückbesinnen. Dazu sollte er:

– die Staatsquote massiv abbauen
– umstellen auf einen Schlanken digitalen Staat (Vorbild Estland)
– Massiver Abbau von Bürokratie. Das wiederum führt zur Entlastung von Unternehmen → mehr Steuereinnahmen → mehr Unternehmen investieren in Deutschland.
– Steuern senken und vereinfachen. Stichwort Bierdeckelsteuer. Am besten nur noch eine Steuer, die man beim Einkaufen zahlt.
– Dennoch darf er durchaus investieren. Aber in Sinnvolles. Wir brauchen große Investorenpakete in allen Bereichen der Infrastruktur. Vom Kindergarten bis hin zur Internetanbindung.

3. Bildungssystem reformieren und gezielte Anreize schaffen: Wir brauchen de facto eine komplette Transformation des Schul- und Bildungssystems.

– Laut Berufsbildungsbericht hatten 2021 rund 2,6 Millionen junge Menschen zwischen 20 und 35 keine Berufsausbildung. Das zeigt, dass hier einiges falsch läuft und das vor allem falsche Anreize gesetzt werden. Wir wissen doch, dass es einen Handwerker-und Fachkräfte-Mangel gibt. Gleichzeitig fällt aber das Bildungsniveau immer weiter ab und wir suggerieren jungen Menschen, dass die Uni der einzige Weg ist. Was wir vor allem brauchen ist ein Schulsystem, dass die Schüler auf das vorbereitet, was später wichtig ist.
– Darüber hinaus brauchen wir endlich eine gezielte Zuwanderung von Fachkräften. Hier werden leider mit Bürgergeld die komplett falschen Anreize gesetzt.

Die Lage ist alles andere als rosig, trotzdem würde ich am Ende gerne das Positive betonen. Wir sind immer noch ein Land mit viel Potenzial und unglaublich vielen kreativen und fähigen Menschen. So viele großartige Erfindungen kamen nicht ohne Grund aus Deutschland und ich bin mir sicher, dass wir irgendwann auch wieder goldene Zeiten vor uns haben werden. Doch die aktuellen Entwicklungen gehen leider in die komplett falsche Richtung. Noch schweigt die große Mehrheit, die den ganzen Laden am Laufen hält, doch die Frage ist, wie lange sie das noch mitmachen wird.

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Marc Friedrich

Marc Friedrich ist Deutschlands erfolgreichster Sachbuchautor (6 Bestseller in Folge), ausgewiesener Finanzexperte, gefragter Redner, YouTube-Star, bekannt aus Funk und TV, Vordenker, Freigeist und Honorarberater.

Der studierte Betriebswirt erlebte 2001 den Staatsbankrott der argentinischen Regierung und dessen ruinöse Folgen für das Land und seine Bürger aus nächster Nähe mit. Seitdem beschäftigt er sich mit dem Geldsystem, Wirtschaftsgeschichte und Vermögenssicherung. Marc Friedrich berät strategisch seit über einem Jahrzehnt erfolgreich international Privatpersonen, Unternehmen, Spitzensportler, Schauspieler, Family Offices, Stiftungen und Pensionskassen zur Vermögenssicherung, Asset-Allokation und Krisenvorsorge.

Seit 2006 baut er maßgeschneiderte, individuelle Strategien zur Vermögenssicherung für seine Kunden vom Privatanleger, Unternehmen bis hin zum Family Office. Und das weltweit!

Marc Friedrich ist ein Vordenker, immer neugierig, in keiner Denkschublade verhaftet, kein Dogmatiker und weder Optimist noch Pessimist, sondern Realist!

Mehr über Marc Friedrich erfahren Sie auf www.marc-friedrich.de