Interview-Reihe Teil 1: Andreas Männicke über 2022

www.schlag-die-boerse.com hat in Kooperation mit www.worldinchange.info eine Interview-Reihe mit den bekanntesten Börsen-Experten durchgeführt. Alle Profis haben dieselben Fragen erhalten und gibt uns ein tolles Bild zur Erwartung 2022.

Heute beginnen wir mit dem Osteuropa-Experten Andreas Männicke. Es erwartet uns eine Zusammenfassung zum Jahresende, wenn wir alle Antworten unserer Profis in einem Report zusammenfassen.

Über den Interviewpartner: Andreas Männicke (Gf der ESI East Stock Informationsdienste GmbH & Herausgeber des Börsenbriefs EAST STOCK TRENDS, www.eaststock.de)

1. Die Inflation wird laut Bundesbank rund 6% erreichen. Ist es nach Ihrer Meinung nur temporär, wie es die Europäische Zentralbank (EZB) bezeichnet, oder kommt da noch eine stärkere Welle auf Europa zu?

Andreas Männicke:
„Das kommt ganz darauf an, wie die Lohnverhandlungen im nächsten Jahr verlaufen werden und wie sich die Konjunktur global entwickeln. Da ich eher an Wachstumsdämpfer im nächsten Jahr nicht zuletzt wegen der noch nicht beendeten Corona-Krise glaube, kann es sein, dass einige Rohstoffe wieder an Wert verlieren. So glaube ich an niedrigere Öl- und Gaspreise, wobei die CO-2-Preise allerdings wohl weiter steigen werden. Bei einigen Rohstoffen kann es wie in diesem Jahr aber auch wieder Knappheitspreise geben, was inflationär wirkt. Das Problem der unterbrochenen Lieferketten wird so schnell nicht gelöst werden. Insgesamt kann es sein, dass sich die Inflation im Laufe des nächsten Jahres tatsächlich auch wieder etwas nachgibt. Falls die Inflation aber nachhaltig und dauerhaft weiter ansteigt, haben alle Notenbanken ein gewaltiges Problem und damit die internationalen Kapital- und Finanzmärkte auch.

Nicht vergessen sollten wir, dass in einigen Ländern die Inflation zum größten Problem für die eigene Währung wird. Ich denke da vor allem an die Türkei, wo sich die Türkische Lira gegenüber Hartwährungen wie den Euro schon fast halbiert hat. Diese Länder mit ähnlichen Problemen kommen dann sehr schnell in die Schuldenfalle, da die Kredite und Anleihen in Auslandswährung dann möglicherweise nicht mehr bedient werden können. Da könnten sogar einige französischen Banken, die sehr viele türkische Anleihen im Buch haben, ins Wanken kommen und eine neue Bankenkrise in Europa auslösen. Ein Staatsbankrott der Türkei wäre ein black swan, aber das wir die EU wohl mit Kredithilfen zu verhindern wissen.“

 

2. In den USA sieht es keineswegs besser aus und auch dort gibt es mit der Niedrigzinspolitik durch die Federal Reserve (FED) starke Parallelen zur EBZ. Müssen die Zentralbanken im Jahr 2022 reagieren und ggf. die Zinsen anheben, um die Märkte nicht völlig aus dem Gleichgewicht fallen zu lassen?

Andreas Männicke:
„Die FED wird wohl im nächsten Jahr als erste große Notenbank den Schritt einer Zinserhöhung wagen, was sie auch schon angekündigt hat. In 2021 lag noch das Augenmerk auf die Arbeitslosenzahlen. Jetzt wird die FED mehr auf die Inflationszahlen achten und damit eine Kehrtwendung machen. Diese Kehrtwendung darf aber noch zu scharf ausfallen, sonst kann es einen Crash oder einen Bärmarkt an der Wall Street geben so wie es im 4. Quartal 2018 schon einmal der Fall war. Der angestrebte Weg zur „Normalität“ wird steinig und gefährlich werden. Die FED wird erst mit dem Tapering starten, also den Aufkauf von Wertpapierne verringern. Die EZB wird erst später mit Zinserhöhungen folgen. Die EU wird aber immer mehr von einer Transferunion von Norden nach Süden.“

 

3. Die Vermögensblase ist offensichtlich und die Realwirtschaft leidet durch die Corona-Maßnahmen, Lieferketten-Probleme, explodierende Rohstoffpreise, Klimawandel und Energiekosten. Was geschieht 2022, wenn die aufzeigten Krisen alle zusammen kommen?

Andreas Männicke:
„Es stimmt: es ticken im Hintergrund mehrere Zeitbomben, die auch einzeln, erst recht aber in Kombination nicht nur einen Börsen-Crash, sondern sogar einen System-Crash auslösen können. Die Verschuldung hat auf allen Ebenen (Staat, Unternehmen, Private Haushalte) enorm zugenommen. Eine Insolvenzwelle oder Staatsbankrotte konnte bisher nur durch die Niedrigzinspolitik der Notenbanken – ich nenne das die „Drogenpolitik“ der Notenbanken – vermieden. Die Notenbanken manipulieren aber damit auch die Kapital- und Finanzmärkte. Sie verhindern damit zwar bisher erfolgreich zunächst einen globalen Crash, aber sie schieben die Probleme auch nur in die Zukunft, die nun immer größer werden. Bisher konnte durch die enorme Liquiditätszufuhr der Notenbanken beides erfolgreich vermieden werden und es gab neuen Allzeit-Hoch an viele Weltbörsen. Durch die Corona-Krise wurden sogar einige „Zombie-Unternehmen“ das Überleben durch extrem niedrige Zinsen und zudem staatliche Unterstützungen erleichtert. Das Insolvenzrecht wurde in Deutschland sogar außer Kraft gesetzt. Dabei profitierten vor allen einige Tech- und IT-Unternehmen von der zunehmenden Digitalisierung weltweit. In dem Tech und IT- Bereich gab es auch die größten Aktienrückkaufprogramm, in den USA mit einem neuen Rekordvolumen von über 1 Bio. US-Dollar. Zudem gab es die höchsten Wertpapierkredite aller Zeiten im Volumen von über 1 Bio. US-Dollar. Die Bewertungen im Tech-Sektor sind sehr hoch. Man muss auch abwarten, wie sich eine mögliche Insolvenz des chinesischen Immobilenentwicklers Evergrande im nächsten Jahr auswirken wird. Ein Platzen der Immobilienblase in China könnte noch große Wellen im nächsten Jahr weltweit schlagen.“

 

4. Geopolitisch geht es weltweit heiß her. Europa vs. Russland, USA vs. China, China vs. Taiwan und zudem nimmt es den Anschein, als würden aktuell eine Reihe von Politikern bzw. Regierungen in Europa und eventuell auch in Amerika ausgetauscht. Kann es zu einem globalen Konflikt kommen?

Andreas Männicke:
„Das wollen wir alle nicht hoffen, denn Kriege sind insbesondre für die jeweils betroffene Bevölkerung das Schlimmste, was man sich vorstellen kann. Allergings haben wir in der Geschichte oft genug erlebt, dass Politiker bereit sind, sprichwörtlich über Leichen zu gehen, um eigene Interessen durchzusetzen. Auch dass die USA immer wieder die Welt-Polizei spielen wollen und dabei vordergründig eine „Wertediskussion“ ins Spiel bringen, in Wahrheit aber auch eigene Wirtschaftsinteressen knallhart durchsetzen wollen, macht die Welt nicht unbedingt friedlicher. Beide genannten Konflikte hätten im worst case sogar das Potential einen 3. Weltkrieg auszulösen. Es ist aber gut, dass beidseitig die Gesprächskanäle offen sind, wobei im Moment nur „rote Linien“ gegenseitig aufgezeigt werden. Es geht dabei aber auch um die Schaffung einer neuen Weltordnung, wo China und Russland diesmal auch ein gewichtiges Wort mitreden wollen.

An der ukrainischen Grenze gibt es jetzt seitens Russlands ein gewaltiges Säbelgerassel durch einen Truppenaufmarsch mit Panzern, wobei Russland dabei auch immer wieder die eigenen Sicherheitsbedürfnisse betont, die sogar berechtigt sind. Es wäre sicherlich ein strategischer Fehler, die Ukraine schnell in die NATO aufzunehmen. Eines ist klar: sobald Russland tatsächlich eine Invasion in der Ukraine machen würde oder falls China Taiwan militärisch angreifen sollte, sollte man vor allem russische und chinesischen Aktien schnell verkaufen, denn dann drohen jeweils scharfe wirtschaftliche Sanktionen. Beide Konflikte können, aber auch ein Crash an den Weltbörsen auslösen.“

 

5. Welche Ideen geben Sie unseren Lesern, wie man sich für 2022 vorbereiten kann?

Andreas Männicke:
„Zunächst einmal sollte sich jeder Anleger auch mit Strategien der Kaptalsicherung anstatt der Kapitalvermehrung befassen, um größer Kursverluste zu vermeiden. Ich erwarte im nächsten Jahr höhere „Vola.“ Geeignete Hedge- Produkte, wo man beliebig long und short gegen kann, sollten bei hoher „Vola“ im nächsten Jahr gut performen können. So gibt es ein Zertifikat in der Schweiz, das an 23 Rohstoffmärkten long und short gehen kann. Aber auch CO2-Zertfikate sollten im nächsten Jahr weiter gut abschneiden.

By the way: Es is nicht schlimm, wenn das eigene Depot 10 bis 20 Prozent in 1 Monat an Wert verliert, denn dies kann man mittel- bis langfristig immer wieder aufholen. Es ist aber schlimm, wenn das Depot in 1 Monat 50 bis 70 Prozent an Wert verliert. Die nicht ganz leichte Kunst ist, bei einem Crash nicht voll betroffen zu sein und anderseits nach einem Crash genug Kapital zu haben, um die ausgebombten Aktien mit Abstauberlimits zu kaufen. Ein gutes Beispiel dafür war der Corona-Crash im März 2019. Im April 2019, also einem Zeitpunkt, wo die Welt unterzugehen schien, gab es hervorragende Kaufgelegenheiten.

Wenn die oben aufgezeigten Gefahren und Risiken nicht virulent werden – oder auch nach einem Crash – sollte Anleger vor allen ein Augenmerk insbesondere auf Aktien aus Osteuropa werfen, was sich schon diesem Jahr gelohnt hat. 11 Börsenindices aus Osteuropa konnten aus gutem Grund DAX wieder einmal klar outperformen. Die Aktien aus Kasachstan konnten sich sogar im Durchschnitt in etwa in 2021 verdoppeln. Höheres Wachstum, eine niedrigere Verschuldung, niedrige Bewertungen und zum Teil sehr hohe Dividendenrenditen sind das Fundament, wo man auch im nächsten Jahr gute Ergebnisse erzielen kann. Es lohnt sich immer wieder, über den eigenen Tellerrand zu blicken. Mein Motto bleibt daher „Go East!“ Wer sich hier näher informieren möchte, kann dies über den monatlich erscheinenden Börsenbrief EAST STOCK TRENDS (www.eaststock.de) oder meinem YouTube-Kanal EastStockTV.“

 

Vielen Dank für Ihre Zeit und die interessante Analyse!

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